Praxisnetze


Klassische Praxisnetze

Eine eindeutige Definition des Begriffs gibt es nicht, da die Ausgestaltung von Praxisnetzen sehr unterschiedlich ausfallen kann. Sie reicht von regelmäßigen, losen Treffen aus Qualitätszirkeln über genossenschaftliche bzw. genossenschaftsähnliche Einkaufsgemeinschaften bis hin zur Gründung von Gesundheitsunternehmen. Versorgungsbezogene Zielsetzungen sind ebenso zu finden wie ökonomische oder berufspolitische Intentionen. Neben einem Zusammenschluss von Arztpraxen sind auch Verbünde mit Krankenhäusern oder anderen Leistungsanbietern wie Apotheken oder Physiotherapeuten möglich. Die Zusammenarbeit kann ebenso auf lokaler wie auf regionaler Ebene organisiert sein. Aufgrund dieser Vielfalt liegen keine Erhebungen für die Anzahl von Praxisverbünden vor.

Praxisnetze können als eingetragener Verein (e.V.), Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), Genossenschaft oder auch GmbH gegründet werden – je nach Zielsetzung und Verbindlichkeit. Auch Haftungsfragen und die jeweilige Berufsordnung spielen bei der Wahl der Rechtsform eine Rolle.

Pro:

  • Erweiterung des Leistungsspektrums
  • mehr medizinische Gestaltungsmöglichkeiten
  • stärkere Marktposition
  • intensiver kollegialer Austausch
  • hoher Freiheitsgrad

Contra:

  • großer Beratungsbedarf vor der Gründung
  • großer Organisationsbedarf

Das SGB V bietet verschiedene Möglichkeiten der Netzbildung:



Praxisnetze als Modellvorhaben (§ 63 ff SGB V)

Bei Modellvorhaben schließen die Krankenkassen üblicherweise Direktverträge mit den einzelnen (vernetzten) Leistungserbringern über die Versorgung von Versicherten ab. Zudem haben Kassenärztliche Vereinigungen die Möglichkeit, Modellvorhaben mit den Krankenkassen zu vereinbaren. Ziel ist die Weiterentwicklung von Verfahrens-, Organisations-, Finanzierungs- und Vergütungsformen. Im Rahmen der Modellvorhaben können Regelungen über die Erbringung von Leistungen getroffen werden, die nicht Teil des Leistungskatalogs sind. Allerdings darf der Gemeinsame Bundesausschuss noch keine negative Beurteilung über die Eignung dieser Leistungen getroffen haben.

Modellvorhaben sind bei den Honorarverhandlungen mit den gesetzlichen Krankenkassen an den Grundsatz der Beitragssatzstabilität gebunden, d.h. die vereinbarten Vergütungen dürfen nicht zu einer Erhöhung der Kassenbeiträge führen. Allerdings können entstandene Mehraufwendungen mit Einsparungen des Modellvorhabens verrechnet  werden. Ferner besteht die Möglichkeit der extrabudgetären Vergütung.

Neben Praxisnetzen sind auch interdisziplinäre Netze als Modellvorhaben zugelassen. Ein Beispiel ist der Ambulante Geriatrische Rehakomplex in Schönebeck (Sachsen-Anhalt). Das Projekt wurde 1998 als Modellvorhaben zwischen der KV Sachsen-Anhalt, der AOK Sachsen-Anhalt und der IKK gesund plus aus der Taufe gehoben. 2006 wurde der Vertrag als erster in Deutschland in einen Rahmenvertrag zur integrierten Versorgung zur ambulanten geriatrischen Komplexbehandlung überführt. Das Projekt wurde mit dem Berliner Gesundheitspreis 2006 ausgezeichnet.

Modellvorhaben müssen auf acht Jahre befristet und wissenschaftlich begleitet werden. Sie basieren auf folgender gesetzlicher Grundlage:

  • zweites GKV-Neuordnungsgesetz (NOG) vom 01.07.1997
  • Änderungen durch GKV-Gesundheitsreform 2000 vom 01.01.2000


Praxisnetze als Strukturverträge (§ 73 a SGB V)

Strukturverträge können nur von den KVen als Vertragspartner der jeweiligen Landesverbände der Krankenkasse abgeschlossen werden. Ziel ist die Optimierung der Versorgungs- und Vergütungsstrukturen im ambulanten Bereich. Im Rahmen dieser Verträge wird einem Verbund aus Vertragsärzten die Verantwortung für die Qualität und die Wirtschaftlichkeit eines bestimmten Leistungsspektrums übertragen. Dieses kann sich von bestimmten Indikationen oder Diagnosen bis hin zur gesamten medizinischen Versorgung erstrecken.

Ein Praxisnetz kann eigene Vergütungsstrukturen vereinbaren und durch besondere Vergütungsformen wie ergebnisorientierte Vergütung oder Bonus-Malus-Regelungen ergänzt werden. Zudem besteht die Möglichkeit, Budgetverantwortung und -verwaltung auf den Ärzteverbund zu übertragen.

Strukturverträge sind vom Gesetzgeber weder befristet noch müssen sie wissenschaftlich begleitet werden. Gesetzliche Grundlage ist das Zweite GKV-Neuordnungsgesetz (NOG) vom 01.07.1997.



Förderung von Praxisnetzen (§ 87 b SGB V)

Kassenärztliche Vereinigungen können zukünftig organisierte Ärztenetze fördern. So sieht das Versorgungsstrukturgesetz in § 87 b SGB V die Möglichkeit vor, dass die Kassenärztliche Vereinigung einem Praxisnetz ein eigenes Honorarbudget oder Honorarvolumen als Teil der Gesamtvergütungen zuweisen kann. Dieses Budget kann das Praxisnetz in eigenständiger Verteilung an die teilnehmenden Netzärzte weitergeben.

Dadurch ergibt sich erstmals eine gewisse Basisfinanzierung für Praxisnetze, die sie unabhängig sein lässt und das Thema Qualität und Ergebnis zugunsten der Patienten stärker in den Mittelpunkt der Netzbemühungen stellt. Indirekt wird damit zudem auch bei den Krankenkassen der Gedanke gestärkt, mit Netzen indikationsübergreifende Vollversorgungsverträge abzuschließen.

Ein Kriterienkatalog der Kassenärztlichen Vereinigungen soll dabei förderungswürdige Netze identifizieren. Die Richtlinien werden voraussichtlich im ersten Halbjahr 2012 erarbeitet.